von Philipp (2011)

An der südlichen Pazifikküste Costa Ricas liegt die Osa-Halbinsel, eine der unberührtesten Gegenden des Landes und zum großen Teil Naturschutzgebiet. Nur an der Ostseite verläuft eine Straße zur Südküste.

Der erste Teil dieser Strecke, die von der Panamericana abzweigt, ist zwar am Papier der besser ausgebaute, praktisch aber der schlechtere. Grund dafür ist, dass der Asphalt ohne irgendwelchen Unterbau direkt auf den Erdboden gekippt wird. Durch Risse kann der Regen nun große Stellen unterspülen, und es bilden sich riesige, tiefe Schlaglöcher. Gottseidank ist kaum Verkehr, und so kann man diese Löcher großzügig umfahren. Das eine oder andere schafft es aber doch, unter unser Auto zu kommen, und nicht nur einmal schlägt der Unterboden auf. Nach Pto. Jiminez wird es besser, weil geschottert. Es gibt auch wieder einige Furten zu durchqueren, nachdem es aber seit Wochen nicht richtig geregnet hat, stellen die kein echtes Hindernis dar. Uns kommt sogar ein Amerikaner in einem Corolla entgegen…

Die Gegend hier ist einerseits eine der einsamsten, mit dem Auto erreichbaren im Land, andererseits stehen dann doch immer wieder einzelne Hütten und sogar Hotels herum. Ausschildert ist praktisch nichts, und es fällt schwer, die Straßenkarte mit der Realität zu synchronisieren. Gottseidank weiß das GPS immer, wo wir sind.

Knapp vor dem Ende der Straße, an der Südküste der Halbinsel, kommen wir zur Finca Excotica – und erschrecken ein bisschen: eine seltsame Bude als Rezeption, herumlungernde Typen, Strandspielzeug im Garten? Die Dame verkündet „Miss Phoebe is on the way!“. Und Miss Phoebe kommt, eine kleine Engländerin mit zwei verschiedenen Gesichtsausdrücken, zwischen denen sie ständig hin- und herschaltet: „Normal“ und „Extremgrinser von einem Ohr zum anderen“. Sie ist sehr nett, und führt uns durch den Garten, an einer Werkstatt vorbei, zum Haupthaus, das etwas erhöht am Hang liegt.

Finca Excotica

Finca Excotica

Und das ist der Hammer: riesige Terrassen, Hängematten, Aussicht, Yoga-Ecke, leise Musik, überall Bambus… einfach zum Hinlegen und wegdösen!

Dann die nächste Überraschung: unsere Hütte hat zwar zwei Stockwerke und eine kleine Veranda, aber keine Wände. Eine Brüstung verhindert zwar das Runterfallen, aber ist gibt keine Fenster, wir schlafen also praktisch im Freien. Nur ein Moskitonetz trennt uns vom wilden Dschungel – das wird ‚was werden…

Menschenleerer Strand

Menschenleerer Strand

Wir nutzen den Rest des Tages für einen langen Spaziergang am menschenleeren Strand: keine Liegestühle, keine Plastikflaschen, nix. Nur manchmal kommen uns Spaziergänger aus dem nahe gelegenen Nationalpark entgegen. Einen Cache suchen und finden wir, dann besorgen wir uns Boogie Boards in der Finca und turnen damit in der Brandung herum, die durchaus ihre Tücken hat. Zwanzig Meter vom Strand entfernt ist das Wasser nur einen Meter tief, und dann gibt’s eine Stufe, und man steht plötzlich bis zur Schulter im Meer. Natürlich brechen die Wellen genau dort. Wenn sie einen erwischen und durch den groben Sand ans Trockene spülen, dann fackeln sie nicht lang und ziehen einen gleich wieder zurück ins Tiefe. Dementsprechend aufgeschürft sitzen wir dann auch beim Abendessen.

Als Wände-rundherum-Mitteleuropäer fällt es einem vielleicht etwas schwer, so ganz ohne Wände zu schlafen. Andererseits ist’s in einem Zelt ja auch nicht anders. Und warum sollten irgendwelche Viecher ausgerechnet uns besuchen kommen… Mit all diesen Gedanken, die uns durch den Kopf gehen, schlafen wir endlich ein.

Einfach nur nixtun…

Wir nutzen die Finca absolut widmungsgemäß: durch intensives Nichtstun. Lesen, Musik-hören, Ausschau halten nach Aras, vielleicht ein bisschen baden. Am Nachmittag entdecken wir von der Terrasse aus eine draußen im Meer vorbeiziehende Gruppe Delphine.

In der zweiten Nacht fällt das Einschlafen schon leichter; allerdings auch das Aufwachen: eine Familie Brüllaffen beginnt um 4:30 das zu tun, wofür sie da sind: zu brüllen. Und zwar so, als ob ein Hund abgestochen werden würde. Gruselig 😐

Way back home

Einen Tag, den wir für die Heimfahr mit verplant haben, haben wir in der Finca vertrödelt. Weil wir den in der Nähe von San Jose liegenden Vulkan Irazu früh am morgen sehen wollen, müssen wir heute so gut wie die ganze Strecke bis in die Hauptstadt hinter uns bringen. Gute 350km, bei den üblichen Straßenverhältnissen kein Kindergeburtstag.

Gleich zu Beginn fühlt sich der Toyota etwas seltsam an. An der nächstbesten breiteren Stelle stellen wir fest, dass wir rechts hinten einen Platten haben. Das kostet uns zwar nur eine Viertelstunde, das Wissen um das nun fehlende Reserverad lässt uns die Schlaglochstrecke etwas bewusster angehen. Nach drei Stunden sind wir wieder an der Panamericana, der wir bis Palma Norte folgen, und dann der Küste entlang bis Dominical. Dort biegen wir ab ins Landesinnere, nach San Isidro, über die ersten Ausläufer der Kordillieren, wo wir wieder auf die Panamericana stoßen.

Panamericana auf 3000m

Panamericana auf 3000m

Zwischen San Isidro und Cartago wutzelt sich die Straße über die höchste Stelle in ihrem gesamten Verlauf: beim Cerro de la Muerte erreicht sie über 3300m Seehöhe. Die Busse und Sattelschlepper beeindruckt das wenig, sie sind entweder die langsamsten Verkehrsteilnehmer – oder die schnellsten. Hier gilt nicht der Grundsatz „Überholen, wenn man sieht, dass keiner entgegenkommt“, sondern „Überholen, wenn man nicht sieht, dass jemand entgegenkommt“. Und Kuppen oder Kurven, die verhindern, dass man den Entgegenkommenden sehen kann, gibt es genug.
Ansonsten ist die Strecke in überraschend gutem Zustand; kaum Schlaglöcher, und nicht selten sogar Leitplanken.

Knapp vor der Dämmerung kommen wir in Cartago an, der ehemaligen Hauptstadt und nunmehr Vorort von San Jose. Das Hotel, das wir zur Übernachtung ausgewählt haben, besitzt den Flair einer Lagerhaus-Tankstelle und Wände aus Karton, ist aber sauber und hat ein Restaurant im Erdgeschoss. Am Gang vor dem Zimmer spielen sich Telenovela-Szenen ab, in der Nacht kehrt aber Ruhe ein.

Irazu

In der Früh ist der Himmel fast bedeckt, nur über dem Irazu leuchtet er blau. Nichts wie los also! Die zwei Kilometer Höhenunterschied fallen gar nicht auf, man hat aber auch dreißig Kilometer Zeit dafür. Je näher wir dem Gipfel kommen, desto mehr Wolken ziehen auf, und bei der Einfahrt in den Nationalpark beginnt es, leicht zu nieseln. Die Anzahl der Besucher hält sich dadurch aber in Grenzen, und schließlich sind wir praktisch die einzigen Wanderer auf dem Weg zwischen den Kratern. Natürlich liegt dort in der Nähe auch ein Cache, den wir nach einer längeren Suche finden.

Einer der beiden Vulkankrater

Einer der beiden Vulkankrater

Der Gipfel liegt mit 3432m gute 200 Höhenmeter über dem Haupt-Parkplatz, und es führt eine schlechte Straße nach oben (wo auch eine Funkstation steht), wir gehen den Kilometer aber zu Fuß – immerhin soll der höchste Punkt, den wir bisher (nicht nur in Costa Rica) erreicht haben, kein reiner Drive-In sein 😉

Neben der Funkstation steht die Betonhülle eines ehemals vermutlich architektonisch wertvollen Restaurants, die nass-kalte Stimmung macht es aber schwer vorstellbar, hier auf der Terrasse einen Kaffee zu trinken.

Schließlich machen wir uns wieder auf die Socken in Richtung San Jose. Bevor wir das Auto zurückgeben, wollen wir noch unser Gepäck ins Hotel bringen. Der sofort herbeieilende Kofferträger beobachtet leicht amüsiert, wie ich versuche, alles Gerümpel, Schuhe, Schmutzwäsche und Gepäck in tragbare Formen zu stopfen, während Alexandra das Einchecken übernimmt. Nachdem wir den Wagen an der Vermietung abgegeben haben, spazieren wir ein letztes Mal durch San Jose, versuchen Postkarten aufzugeben und tauschen die letzten Colones in Souvenirs um.

Und dann geht es, nach einer letzten Nach in Mittelamerika, wieder nach Hause, zurück in den Winter…

Ein Kommentar zu “Costa Rica 5: Entspannung, Höhe und Schluß”

  1. ThePlank sagt:

    ich liebe reiseberichte! vielen dank dafür und für den ansporn unser „projekt costa rica“ nicht einschlafen zu lassen. wären da nur nicht die depperten usa dazwischen …
    gruß aus wien
    wolfgang