von Philipp (2011)

Nun ja, der Name „Ligurische…“ legt nahe, dass sich besagtes Objekt in Ligurien, also Italien befindet. Dass aber auch „Grenz…“ im Namen vorkommt, und für sowas immer zwei Teilnehmer notwendig sind, gibt Hinweis darauf, dass Italien nicht alleinig betroffen ist. In dem Fall geht’s um die italienisch-französische Grenze. Der „Kamm“ wiederum lässt vermuten, da derartige Formationen zumeist den obersten Teil eines alpinen Umfelds darstellen, dass es sich um einigermaßen ausgesetzte Gegenden handelt. Und der Term „Straße“ ist nicht mehr als ein Euphemismus, vielleicht um irgendwie den Begriff „Geröllhalde“ melodisch zu umschreiben.

Die „Straße“ verläuft auf ca. 60km Länge, zumeist in 2000m Seehöhe. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert, und wurde bis in die Mussolini-Zeit benutzt. Heute wird sie nur noch sporadisch instand gehalten. Während einige Teile aus einfachen Schotter- und Sandpisten bestehen, ist sie vor allem im nördlichen Teil eine in den Fels geschlagene, mit tiefen, groben Schotterbetten geebnete Strecke, oft nicht breiter als ein Auto. Dieser nördliche Teil ist momentan in einem Zustand, der die Sperre für mehrspurige Fahrzeuge erforderlich gemacht hat. Zu unserem Glück ist die Benutzung für Fußgänger, Radfahrer, Reiter und – haha! – „Offroad Motorbikes“ erlaubt, kenntlich gemacht sogar in u.a. deutschsprachigen Schildern an den Schranken zu Beginn und am Ende des Bereichs (siehe Track am Ende des Artikels).

1. September: LGKS

Wir fahren am Nordende zu, über Tende und das Südportal des gleichnamigen Tunnels. Von hier führen fast 50 Kehren auf den Pass, ein Drittel davon unbefestigt.

Buben warten den Querverkehr ab

Buben warten den Querverkehr ab

Das Fort Central liegt ganz in der Nähe des Passes, aber wir wenden uns zuerst in Richtung Westen, um das Fort de la Marguerite zu besuchen, auch weil dort ein Cache versteckt liegt. Das Wetter ist zwar nicht ganz so blitzblau wie bisher, aber mit Regen ist nicht zu rechnen. Deshalb lassen wir uns Zeit (auch wenn Martin ein bisschen zappelt). Zurück geht’s die zwei Kilometer zum Fort Central, wieder mit einer Besichtigung von Kaserne und dem gewaltigen Festungswerk. Dann beginnt die eigentliche LGKS. An einer Liftstation überwinden wir (legal!) die PKW-Sperre. Die Piste wechselt zwischen grobem Schotter, blankem Fels, und zwischendurch sanfteren, sandigen Stellen.

Am Colle di Perla stoßen wir auf ein Hindernis: ein Erdrutsch hat die Straße verlegt. Es sieht aus, als ob der ursprüngliche Rutsch mit einem Bagger zu einem Wall aufgeschüttet wurde, um das Passieren mit PKWs völlig zu verhindern, nur ein schmaler Pfad für Einspurige ist erkennbar. Der Wall ist etwa 1.5m hoch, da man gegen die natürliche Steigung der Strecke zusätzlich anfährt, wirkt sie noch höher. „Unsere“ Seite ist steiler als die Rückseite, und nach links geht es fast senkrecht runter in den Almrausch. Es gibt wenige Meter vorher eine Abzweigung, die jedoch per Fahrverbot gesperrt ist. Ich bin mir zu Beginn nicht so ganz sicher, aber nach kurzer Beratung wagt Martin als erster die Überfahrt. Alle drei stehen wir an der Kuppe bereit, um im Fall des Falles Martin auf die günstigere Seite zu ziehen, aber der Aufwand ist unnötig: als ob er sowas jeden Tag machen würde, setzt er hinüber. Jetzt werden wir anderen drei noch aufgeregter, und einer nach dem anderen passiert den Wall.

Der Wall, von dieser Seite nicht sehr spektakulär...

Der Wall, von dieser Seite nicht sehr spektakulär…

Der Col de la Boaire gilt als die schwierigste Stelle der LGKS. Die Schlüsselstelle ist eine einzelne, steile Kehre, mit grobem Schotter und einigen Felsstufen. Im Mittelpunkt der Kehre steht eine Felsnadel, und der obere Teil der Straße führt als breite Mauer über einen Einschnitt im Kamm. Fast sind wir ein bisschen überrascht vom Aufwand, die Stelle zu überwinden; es ist nämlich nicht wesentlich schwerer als einige andere Stellen, und keiner von uns hat Probleme damit (in der Planung haben wir uns schon gesehen beim zu viert die Motorräder über die Passage stemmen…).

Dafür wird es nur wenig später fordernd, unmittelbar nach dem Cache „Ligurischer Grenzkamm Cache“ (ja, der hat tatsächlich einen deutschen Namen…). Ein Stehenbleiben ist nicht so ohne weiteres möglich, da die Straße extrem uneben ist, und so die Füße (oder Seitenständer) wohlüberlegt platziert sein wollen. An ungeschickter Stelle zu einem Halt gezwungen zu werden, führt dann zu längerem Zehenspitzenstehen und einhergehender Frustration, die ohne Mitstreiter schwer zu meistern ist. Im Grund sind schon mehrere hundert Meter davor in dem selben Zustand, allerdings geht es da bergauf, und da ist kontrolliertes Stehenbleiben einfacher. Ein Vater-und-Sohn-Gespann mit zwei leichten Enduros hat an dieser Stelle Probleme, und so fahren wir jeweils einzeln, unter genauer Beobachtung der wartenden drei.

Am Ende dieser Passage werden wir einerseits von einer alm-ähnlichen Landschaft (mit Senner und Kühen) belohnt, andererseits profitieren wir indirekt vom Unglück anderer: ein Pärchen französischer Höhlenforscher ist hier mit einem VW-Bus gestrandet, der mit aufgerissener Ölwanne liegengeblieben ist. Obwohl bereits Ersatzteile beschafft wurden, fehlt entscheidendes Werkzeug, das wir zufällig dabei haben. Die Madame ist so froh über unsere Unterstützung, dass sie uns Baguette, Käse und Speck aufwartet. Und wir nützen die Gelegenheit zum Regenerieren. Nach einer halben Stunde überlassen wir den Herrschaften die zwei Inbussschlüssel, Dieter bekommt die ganze Käsefuhr zum Mitnehmen, und wir verrollen uns, frisch gestärkt und erholt, in Richtung südliches Ende der LGKS.

Der weitere Teil der Strecke ist nahezu gemütlich. Die Straße liegt tiefer, führt zum Teil durch den Wald, und das Gelände wird harmloser. Wir verplempern einiges an Zeit mit dem Folgen einer Kuhherde am Almabtrieb, und besuchen eine riesige Erlöserstatue.

Pause, und Blick nach Italien

Pause, und Blick nach Italien

Dort beschließen wir, vorzeitig die LGKS in Richtung Tende-Tal zu verlassen. Die Beschilderung ist allerdings bescheiden, und die Straßenkarten verraten nicht viel, und so müssen wir uns auf Glück und Intuition verlassen. Die Straße verläuft am Westhang des Berges nach Süden. Unterwegs treffen wir einen deutschen Camper und einen Hirten, die uns beide in etwa in die selbe Richtung weisen. Dann stoßen wir plötzlich wieder zurück auf die LGKS, um dann endgültig nach La Brique abzubiegen.

Die letzten Kilometer legen wir auf einer sehr breiten und sandigen Forstautobahn zurück. Wir müssen mehrere hundert Meter Abstand einhalten, denn das trockene, sonnige Wetter hat die Strecke in eine Staubhölle verwandelt. Nach wenigen Minuten ist alles, die Kleidung, Ausrüstung, Mopeds und die Gesichter mit einer dicken, hellen Staubschicht bedeckt. Am Beginn der Asphaltstraße können wir uns nur ganz grob anhand der Form der Gepäckstücke voneinander unterscheiden. Bei der ersten schnelleren Passage Richtung Hotel, gegen das Sonnenlicht, bilden sich esoterische Staub-Halos um uns, die ohne weiteres aerodynamische Studien erlauben. Vielleicht sind es auch die Geister der LGKS, die uns nun wieder verlassen…

Die Geister verlassen uns allerdings nicht rückstandsfrei. Als wir uns am Hotelparkplatz in Reih und Glied einparken, sehen wir, die Mopeds und das Gepäck aus wie die Schweine. Staubschweine, sollte es so etwas geben. Egal, was wir in dem Zustand berühren, überall hinterlassen wir Dreckspuren, und ziehen Staubfahnen hinter uns her. Die Duschen tun ihr möglichstes, und bis zum Abendessen schaffen wir es einigermaßen zurück in die Zivilisation.

 

Geocaches zum Artikel (2)

1858m Fort de la Marguerite (GC1656R) (D1/T2,5)
Ligurischer Grenzkamm Cache (Liguric border cache) (GC8286) (D3/T3)


Ein Kommentar zu “Ligurische Grenzkammstraße (LGKS)”

  1. rabat sagt:

    Ich sehe bei der Bezeichnung „Enduro“ noch immer ein kleines Übersetzung Problem. Die Franzosen und Italiener sehen im Begriff „Enduro“ eine Hard-Enduro und keine Reisedampfschiffe die Schotterstraßen tauglich sind.
    Die LGKS ist aber auch für Reiseenduros geeignet wenn der Fahrer etwas Erfahrung hat. Im Alleingang würde ich sie aber niemanden empfehlen.

    PS: Die Inbusschlüssel sind bereits zuhause angekommen.