von Philipp (2012)

Sechster Tag: Insel plus Insel

Die Fähre bringt uns wieder zurück auf die Halbinsel Pelješac, eine zweite dann von Trpanj nach Plo?e, so dass wir den langen Weg um die Mündungsbucht des „Neretvanski kanal“ abkürzen. Trotzdem müssen wir wieder 30km schon einmal befahrene Strecke wiederholen, bis wir in Drvenik die dritte Fähre des Tages, diesmal nach Hvar, nehmen können.
Die halbe Stunde Festland bis dorthin hat es aber in sich: vermehrt treten kleine und größere, neongelb lackierte Botendienst-Autos auf (die Firmenaufschrift hab ich verdrängt; muss etwas mit „Hölle“, „Inferno“ und „Sofortiger, spektakulärer Tod“ zu tun haben). Die Fahrer legen kollektiv die mit Abstand rücksichtsloseste und brutalste Fahrweise an den Tag, die mir je untergekommen ist – und zwar alle! Auffahren auf 1m bei 100km/h, Überholen unabhängig von der Sichtweite (weil sie’s sowieso auch bei Gegenverkehr auf zweispuriger Strecke tun). Ein gut gemeinter Rat: bei solchen Erscheinungen: einfach rechts ran, und vorbei lassen. Mit zittern jetzt noch die Knie…

Wir schaffen es schnell von der Fähre herunter, und so können wir die Transporter und Wohnmobile hinter uns lassen. Die Hauptstraße schlängelt sich im „Landesinneren“ (sofern man bei einer vielleicht 2km breiten Insel von „Innerem“ sprechen kann) über die Hügel, bis wir, knapp nach Jelsa, nach Svirce kommen, einem hübschen kleinen Dorf mit engen Gassen und einem Kirchplatz. Dort gleich um’s Eck beginnt eine Schotterpiste. Zuerst geht es recht gemütlich durch Weinberge, dann wird der Weg zunehmend steil und ausgewaschen. Es wird, für unsere Fahrkünste, anspruchsvoll und anstrengend; das mitgeschleppte Gepäck macht die Sache nicht einfacher. Schließlich kommen wir auf eine Art Hochebene, die Strecke wandelt sich wieder ins Gemütliche. Wir machen einen kleinen Abstecher zu Fuß zu einer kleinen Kapelle, die über dem Meer eine tolle Aussicht bietet, dann folgen wir der Piste, die sich über die Hügel windet, bis wir nach insgesamt gut 13km wieder auf die asphaltierte Hauptstraße kommen.

Dieter kennt da noch eine zweite Schotterstrecke, die nicht weit vom Beginn der ersten, am anderen Ende eines Tunnels beginnen soll, und die als Einbahn der Südküste entlang führen soll. Am Tunnelportal hält uns allerdings ein „Fahrverbot für Motorräder“ auf. Das, wie wir Wochen später vom lokalen Tourismusbüro auf Anfrage per Mail erfahren, ignorierbar gewesen wäre: Sinngemäß die Rückantwort „…und sie haben sich wirklich daran gehalten…?“.

Also nehmen wir den Asphalt bis an den westlichen Spitz der Insel, in den Ort „Hvar“. Dieter hat auch dort „Beziehungen“, uns so finden wir ratz-fatz Unterkunft in seiner „Stamm-Bleibe“ bei Teo und dessen Nachbarn. Und auch beim Abendessen steht uns Teo bei: im Lokal „Bonaca“ speisen wir ausgezeichnet.

Tag sieben: Steaks. Aber sowas von!

Wir haben in den letzten Tagen zwar öfters Zeit auf Fähren verbracht, aber erst die Überfahrt von Hvar nach Split dauert „richtig“ lang. Zwei Stunden nämlich, und nicht nur ein paar Minuten, wie bisher. Das gibt Gelegenheit zum Musikhören, Fotografieren, Ausspannen,…

Split selbst ist mopedtechnisch nicht wirklich sehenswert, also suchen wir den schnellsten Weg zur Ausfallstraße Richtung Westen, um die zweitgrößte Stadt Kroatiens wieder zu verlassen. Kurz vor dem Flughafen biegen wir in Richtung Hinterland ab, wo sich eine Straße in mehreren Serpentinen 500m nach oben wutzelt. Abgesehen davon, dass diese Strecke die hier sehr dicht befahrene Küstenstraße umgeht, führt sie an einem Geocache vorbei, den ich gerne suchen würde. Genauer gesagt, führt die Straße nur in dessen Nähe. Hier kommt uns eine gewisse Unschärfe des Kartenmaterials in die Quere: je nach Karte (Papierkarte, City Navigator, OSM, Topo) ist der Aussichtspunkt gar nicht, nur zu Fuß, auf einer Schotterpiste oder einer Forststraße erreichbar, und zwar von mehreren möglichen Ausgangspunkten aus. Wir probieren einige Möglichkeiten aus: sie enden in Sackgassen, Hinterhöfen, an unbekannten Verbotsschildern und eindeutigen Wanderpfaden. Aus einem Drive-In wird’s also nichts. Das Verbotsschild übrigens, dass uns einmal die Durchfahrt versperrt, bedeutet – daheim dann übersetzt – „Müll ablagern verboten“. Aktennotiz für’s nächste mal: Kroatisch-Wörterbuch mitnehmen…

Der Großteil des übrigen Tags vergeht mit einer Mischung aus „einfach nur ans Ziel kommen“, und „nur nicht entlang einer Hauptverkehrsroute“. Was nicht heißt, dass es langweilig wäre, es war nur einfach nichts spektakuläres zu sehen. Mit Ausnahme des Mündungsgebiets der Krka. Die berühmten Wasserfälle sind nur zu Fuß zu erreichen, trotzdem machen wir einen Abstecher zum Eingang des Nationalparks.

Das Tagesziel ist Vodice, ein Ort an der Küste, in dem es „die besten Steaks der ganzen Adriaküste“ geben soll. Die geplante Unterkunft ist zwar belegt, gegenüber ist allerdings ein Appartement frei, nur hundert Meter vom Meer entfernt. Vor dem Abendessen ist noch genug Zeit, um eine Runde schwimmen zu gehen, und dann machen wir uns daran, bei Guste die besten Steaks der ganzen Adriaküste zu evaluieren. Der Laden sieht fast ein bisschen bescheiden aus: ein niedriges Gebäude zwischen zumindest dreistöckigen „Stadt“häusern, ein paar einfache Tische davor, und unter einem Vordach die Hälfte der Küche im Freien. Die Steaks sind allerdings tatsächlich genial! Wie die Halb-Outdoor-Küche vermuten lässt, wird das Steak im Freien, unter äußerst undezenter Rauchentwicklung zubereitet (vielleicht hat auch nur der Koch seinen Partikelfilter regeneriert, was weiß ich). Spitze, jedenfalls.

Wir beschließen den Tag an der Hafenpromenade, teils mit Quatscherei, teils mit Verrenkungen am Betonboden, um möglichst feine Nachtfotos der Kulisse zu erhaschen.

(D)…Dieter (M)…Martin (P)…Peter

Letzter Tag: Minesweeper

Wir nähern uns von Süden an den Velebit, auf dem wir, 50km weiter nördlich, schon am zweiten Tag herumgekurvt sind. Wo die Straße die Autobahn überquert, beginnt der Schotter. Schon wenige Kilometer davor stoßen wir (wieder einmal) auf Zeugen der kriegerischen Auseinandersetzungen nach dem Zerfall Jugoslawiens: in regelmäßigen Abständen warnen eindeutige Schilder vor Landminen, die nach wie vor das Verlassen der Wege zu Russischem Roulette werden lassen.

Die Straße führt in sanfter Steigung durch den Karst, unterbrochen von Wiesen und Gebüsch, zum Mali Alan. Das die Gegend einen an die Winnetou-Filme der 60er-Jahre erinnert, ist kein Zufall: das Velebit-Gebirge war oft Drehort, und wenn man genau hinhört, hört man noch die Hufschläge der Apachen zwischen den Felsen… Nun ja, ein gewisser Herr A. Povic (der auch sonst die akustische Präsenz des orangen Mannes unterstreicht) übertönt wohl das Getrappel, und auch schießen keine verschwitzten, unrasierten Schurken, die aussehen wie Mario Adorf, auf uns.

An der Rückseite einer einigermaßen unmotiviert aufgestellten „Windschutz-Mauer“ befindet sich ein Briefkasten, die „Karl May Fanbox“; eine Art Gipfelbuch für eingefleischte Western-Fans. Wir tragen uns auch ein, obwohl zumindest ich nicht so der Apachenfreund bin. Gleich um’s Eck liegt natürlich auch ein einschlägiger Geocache.

Weiter geht es im freien Fahren. Die Streckenführung ist recht entspannend, gerade richtig, um auch etwas von der Landschaft zu sehen. Nach einigen Kilometer gelangen wir an eine Straßensperre. Ein Mann mit Metalldetektor steht am Straßenrand, im Geländer herum stehen vereinzelte Fähnchen, und mit Absperrband abgegrenzte Flächen. Minensucher. Wir unterhalten uns mit dem Mann, während seine Kollegen die Umgebung mit Detektoren absuchen. Es ist irgendwie seltsam, wie der Typ über seine Arbeit spricht, als ob er jemandes Hecken schneidet. Vermutlich braucht man aber eine gewisse Abgebrühtheit für den Job. Das umliegende Land wird wohl noch Jahrzehnte an dem Wahnsinn zu kauen haben, und sei es, im glücklichsten Fall, durch einzelne, durch Alterung und Korrosion von selbst detonierende Minen.
Der Mann zeigt uns die Umleitung um das gesperrte Gelände, und wir setzen unsere Fahrt in Richtung Plitvice fort, erst noch über Forststraßen, und weiter auf Landstraßen.

Plitvice selbst ist nichts, wofür sich „ein kurzer Abstecher“ lohnen würde; zumindest einen ganzen Tag sollte man in dem engen Tal mit seinen türkisblauen Seen und Wasserfällen verbringen. Deswegen fahren wir ein Stück weiter, und suchen uns ein Lokal zum Mittagessen. Wir finden ein Gasthaus, das nicht nur den (optischen) Eindruck einer Bus-Raststätte macht, sondern die auch mit dem entsprechenden Publikum aufwartet: ältere Damen, die kurz vor dem Kauf einer Gesundheitsmatratze stehen. Allerdings trügt der erste Eindruck, und in recht netter Atmosphäre essen wir sehr gut.

Mit dem Verlassen des Velebits, beziehungsweise dessen Umland, endet auch schon der Urlaub; jetzt trennen uns nur noch rund 200km Autobahn von daheim. Wetter-technisch gab es an der vergangenen Woche nichts auszusetzen; am zweiten Tag hätte es die Gelegenheit für ein paar Regentropfen gegeben, ansonsten hatten wir schlimmstenfalls bedeckten Himmel. Nur jetzt, am Ende der Woche, scheint uns unser Glück zu verlassen: schwarze Wolken versperren uns den Weg, und ich überlege mir während der Fahrt, ob ich in den Regen-Dress schlüpfen soll, oder einfach drauf pfeife, und die letzte Stunde waschelnass weiterfahre. Aber, wie so oft, Schwarzsehen kann sich bezahlt machen, und bis inklusive Abstellen in der Garage regnet es keinen Tropfen!

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