von Philipp (2014)

Dieser Artikel ist Teil der Geschichte Reise zum Nordkap.

Dienstag, 27. Mai: Wasserfallwanderung

Wir erkundigen uns nach dem Startpunkt der Wanderung und erfahren, dass er am Ende einer für Wohnmobile schlecht geeigneten Straße liegt. Es gäbe aber einen netten alternativen Spaziergang am Unterlauf des Flusses bis zum ersten der vier Fälle, der auch mit dem Kinderwagen machbar sei. Wir packen also zwei Flaschen Wasser und das Tragetuch (sicherheitshalber) in den Buggy (und natürlich auch den Zwerg) und spazieren los, ohne Anfahrt.

Es beginnt mit einem Wäldchen, durch das der Fluss rauscht, auf Wegen, die den Buggy nicht zerstören, aber zumindest altern lassen (der Zwerg quietscht vor Spass), für eine halbe Stunde. Dann kommen wir zu einem Parkplatz und dem Beginn der engen Straße, vor der wir gewarnt wurden. Ein Schild beschreibt die fehlenden Ausweichmöglichkeiten unterwegs und fehlenden Umkehr- und Parkmöglichkeiten am Ende. Wir gehen davon aus, dass derartige Einschränkungen bei einem Kinderwagen nicht anwendbar seien, und gehen weiter. Es ist nicht gerade eine spektakuläre Streckenführung, aber die Aussicht auf den Fluss entschädigt. Die Straße ist zwar eng und es gibt nur ein oder zwei Ausweichen, aber so arg wie beschrieben ist sie nicht. An ihrem Ende, bei einem kleinen, alten Kraftwerk, gibt es sogar einen richtig großen Parkplatz. Und einen ordentlichen Wasserfall natürlich!

Weil wir noch lange nicht müde sind, beschließen wir weiterzugehen, lassen allerdings den Buggy stehen. Mit dem Zwerg am Bauch steigen wir der Druckleitung entlang nach oben. Nach 100 Höhenmetern endet die Leitung in einem fast ruhigen Becken – eigentlich beginnt sie dort – das zum Baden einlädt. Fast. Denn nur ein kleiner Teil des Wassers, das in das Becken fließt, gelangt unterirdisch in die Leitung, der Rest stürzt über die Kante. Eigentlich egal, welche der beiden Varianten man nach unten wählen würde, Rohr und Turbine, oder gleich 100m Falllinie…

Noch immer nicht müde. Das nächste Wegstück führt uns durch einen hellen Pinienwald weg vom Fluss. Nach einem halben Kilometer beginnt wieder der Aufstieg, diesmal im Zickzack, immer wieder auch ein paar Meter nach unten, über bemooste Steine, Stufen, kleine Bäche. Aus der Entfernung wird der nächste Wasserfall immer lauter, und plötzlich durch die Bäume hindurch auch sichtbar. Über eine Breite von gut 100m schießt das Wasser in mehreren Verzweigungen 400m nach unten. Dabei geht’s nicht im freien Fall in die Tiefe, sondern eher als riesige Rutschbahn. Dazwischen liegen immer wieder felsige Hindernisse, an denen die Gischt nach oben schießt.

Auf unserer Karte wird eine Forststraße angezeigt, die 500m voraus einen gemütlicheren Rückweg verspricht. Dazu müssen aber erst die 500m geschafft werden. Der Zwerg singt und plauscht uns inzwischen allerhand vor, während wir uns nach oben arbeiten. Dann kommt endlich die Straße in Sicht! Ein paar Minuten gehen wir noch ein Stück weiter, bis wir den dritten und vierten Wasserfall in der Ferne sehen können. Und darüber liegt das Hochland der Hardangervidda, für uns aber viel zu weit entfernt…

Nach einer Jausen- und Windelpause wandern wir „konventionell“ zum Kraftwerk zurück, wo wir wieder das Kindertransportmittel wechseln, und eine Stunde später sind wir am Campingplatz, erschöpft und müde. Sogar der Zwerg – auch schnattern strengt schließlich an 🙂

Morgen wollen wir einen kurzen Abstecher in die Hardangervidda per Auto machen, und dann Richtung Bergen, an die Westküste, fahren.

Mittwoch, 28. Mai: Hardangervidda, und westwärts

Wir brechen nach dem Frühstück gemütlich nach Osten auf, und stoßen nach einigen Kilometern auf verkehrstechnisch neues: einen Tunnel mit integriertem Kreisverkehr. Das überrascht uns so sehr, dass wir an den drei Ausfahrtsmöglichkeiten gleich einmal die falsche nehmen, und nach einer langgezogenen 90°-Kurve plötzlich hundert Meter über dem Wasser auf einer Hängebrücke ans Tageslicht kommen. Kein Problem, endet die Brücke doch wieder am anderen Ufer des Fjords wieder in einem Tunnel, wieder mit einem Kreisverkehr, der uns wieder zurück auf die Brücke wirft. Dort merken wir, dass die Brücke mautpflichtig ist. Da wir später am Tag noch ein drittes Mal diese Strecke brauchen werden, werden uns wohl dreimal die 150 Kronen abgerechnet… 🙁

Die Straße 7 schwenkt in Eidfjord vom Wasser weg in ein Tal, das recht bald immer enger wird. Die Straße wird steiler, und die Tunnelkonstruktionen spektakulärer. Mein persönlicher Liebling ist eine Kombination aus einem getunnelten Dreiviertel-Kreis, gefolgt von einer „normalen“ Haarnadelkurve, gefolgt von einem S-förmigen Tunnel. Etwas witziger wäre es mit dem Fahrzeuggewicht besser angepasster Motorleistung, aber mit der richtigen Technik ist auch das zu meistern. Zügiges, aber überlegtes Gasgeben, und dabei die Heizung bei offenem Fenster voll aufdrehen. Mit etwas Glück bleibt dann die Temperaturanzeige vor dem roten Strich stehen. Und auf keinem Fall den Motor abstellen bei Fotostopps.

Oben auf der Hochebene liegt noch Schnee. Das Gebiet scheint ein beliebter Ort für Wintersport zu sein, jedenfalls gibt es Schilifte, Ferienhüttendörfer, aber auch viel Nichts. Buschwerk, Schneefelder, Bäche, zum größten Teil unberührt. Dazwischen ein auffälliger Staudamm, dessen Aussenflächen aus grobem Geröll zu bestehen scheinen, wie ein überdimmensionierter Bahndamm. Er soll helfen, ein Wasserkraftwerk zu betreiben.

Nachdem wir hier nicht wandern wollen, und dafür auch garnicht das Zeug mithaben, drehen wir wieder um, bewundern noch den Wasserfall Vøringsfossen, bevor wir uns durch die Tunnelei wieder nach unten werfen.

Schließlich befahren wir zum heute dritten Mal die schon erwähnte Brücke. Es ist inzwischen schon relativ spät geworden, der Zwerg möchte, wie auch wir, gefüttert werden, und so schlagen wir unser Quartier in Øystese, etwa 60km östlich von Bergen auf.

Donnerstag, 29. Mai: Bergen

Mit dem Wohnmobil in Bergen ist das so eine Sache. Direkt in die Innenstadt reinfahren ist ungeschickt, dort frei campieren nicht erlaubt. Die nähesten Campingplätze sind 15 bis 20km entfernt, und mit öffentlichen Verkehrsmittel nur mäßig geschickt zu erreichen. Die Alternative für uns ist daher ein Camper-Stellplatz am Parkplatz einer Eishalle. Es gibt zwar in einer von zwei Reihen Stromanschlüsse und am Eck einen Trinkwasseranschluss, aber sonst ist’s einfach ein Parkplatz (nicht dass das viele Benützer vom entspannten In-der-Sonne-sitzen und Grillen abhalten würde).

Wir freuen uns, dass die „Light Rail“, eine Straßenbahn, nur 200m entfernt eine Station hat, und wir so in ein paar Minuten stressfrei ins Zentrum und an den Hafen kommen. Wir bummeln über den Fischmarkt, der einem das Wasser im Mund zusammen laufen lässt – solange man die Apotheken-Preise ausblenden kann… Wir kaufen ein Stück heißgeräucherten Lachs für’s Frühstück, und je eine Portion Königkrabben-Haxen und Shrimps zum Gleichessen. Den Preis für das Ganze haben wir übrigens verdrängt…

Bergen hat übrigens eine ähnliche E-Fahrzeugdichte wie Stavanger. Alle paar Minuten ein Tesla, und Leafs fahren rum wie bei uns die Golfs.
Scheinbar findet in Bergen gerade ein Old- und Youngtimer- und Amischlitten- und Sportwagentreffen statt; überall possieren polierte Mustangs, Chevys aus den 50ern, akuelle Lamborghinis, dazwischen auch mal ein ranziger 924er-Porsche, und auch passendes Einspuriges.

Die Suche nach zwei Geocaches führt uns in den Park um die Bergenhus-Festung, und weiter in die Bryggen. Das sind alte Speicherhäuser aus der Zeit der Hanse, ganz aus Holz, mit engen, verwinkelten Gassen, und windschief. Die Häuser stehen meist nicht nu nebeneinander, sie lehnen sich aneinander an.
Anschließend nehmen wir die Standseilbahn (als Fast-Grazer muss man sich schließlich ansehen, wie andere das machen!) auf den Hausberg der Bergener, den Fløyen. In der Kabine zeigt uns der Zwerg, was er wirklich kann; eine Stunde nach dem Wickeln im Park verbreitet sich plötzlich strengster Abgasgeruch. Zu unserem Glück steht gleich nebenan ein zweiter Kinderwagen, so dass für die anderen Passagiere eine eindeutige Zuordnung schwerfällt. Oben am Berg dann die Gewissheit. Den Rest des Weges legt der junge Mann dann in Strumpfhosen und ohne Unterwäsche zurück, in Papa’s Jacke gewickelt…

Den Fløyen kann man übrigens ledigen Männern sehr ans Herz legen. Hier joggen die (vor allem blonden) jungen Damen, und pausieren dann bei der Bergstation. Keine Angst allerdings, die meisten gehen gemütlich auf den Berg, weil’s sich bequemer Ratschen lässt. Das durften wir am Rückweg zu Fuss feststellen.

Weil es hier so lange hell ist am Abend (Zeitunglesen um Mitternacht!) übersehen wir ein bisschen die Zeit, und gehen praktisch sofort nach dem Heimkommen (Am Parkplatz! Wie das klingt…) in die Bettchen.

Freitag, 30. Mai: Von Bergen nach Flåm

Heute wollen wir wieder ein paar Kilometer nach Norden machen. Praktisch werden daraus ein paar Kilometer nach Ost-Nordost. Es geht ein Stück dieselbe Strecke zurück, die wir nach Bergen gekommen sind, geht dann aber nach Voss weiter, bis nach Flåm. Das letzte Stück allerdings nicht per Straße, sondern mit der Fähre.

Obwohl es zwischen Gudvangen und Flåm zwei Tunnels gibt, die die Orte praktisch per Luftlinie verbinden, wählen wir die längere Variante mit der Fähre. Der Nærøyfjorden nämlich ist der schmalste Fjord, der Stellenweise nur 250m breit und 12m tief ist. Durch diesen „engen“ Schlurf bringt einen die Fähre in den Aurlandsfjorden, an dessen Ende Flåm liegt. Unterwegs passieren wir Undredal, dem Ort mit der kleinsten Kirche Skandinaviens.

Nach etwa zei Stunden Laufen wir am Anleger in Flåm ein, und finden gleich in der Nähe einen Platz zum Schlafen.

Samstag, 31. Mai: Bahnfahrt mit der Flåmbahn

Verkehrstechnisch sind die Hauptstadt Oslo und Bergen (unter anderem) mit einer Bahnlinie verbunden. In Myrdal, auf 866m Seehöhe zweigt eine 20km lange Nebenstrecke hinunter nach Flåm ab. Deren Besonderheit ist, neben der spektakulären Landschaft, die Steigung, die sie überwindet: auf 18m Fahrt 1m Anstieg; normalerweise wird bei so steilen Strecken eine Zahnradbahn eingesetzt, hier aber ganz normale Lokomotiven.

Schon am Campingplatz, wo wir uns nach den Abfahrtszeiten erkundigen, schlägt man uns eher frühere Züge vor, da am Vormittag ein Kreuzfahrtschiff erwartet wird, mit den einhergehenden Menschenmassen. Wir stellen uns also unüblicherweise den Wecker, um zur passenden Zeit am nahen Bahnhof anzukommen. Wir haben Glück, der Zug ist nur zur Hälfte besetzt, und schon geht es los.

Die Steigung selbst nimmt man ja nicht direkt wahr, zumal die 18:1 selbst für das Wohnmobil lächerlich sind. Beeindruckend wird das erst, wenn man die Strecke sieht, wie sie sehr viel höher aus einem Tunnel, zum Teil fast am Gegenhang, wieder ans Tageslicht kommt. Und Tunnels gibt es unzählige, auch mit gröberen Kurven. Unterwegs gibt es zwei Halte, einmal, um den Gegenzug passieren zu lassen, ein zweites Mal zum Fotografieren am Kjosfossen-Wasserfall. An der Endstation in Myrdal, wo es ausser dem Bahnhof nicht wirklich etwas zu sehen gibt, wird der Zug etwas voller, da Reisende aus den aus Oslo und Bergen kommenden Zügen umsteigen.

Nach unten geht es natürlich auf dem selben Weg, nachdem wir aber Sitze auf der anderen Zugseite wählen, bieten sich uns ganz neue Aussichten. Es hätte übrigens auch die Möglichkeit gegeben, in Myrdal auszusteigen und mit einem geliehenen Mountainbike zurück an den Fjord zu fahren. Eine Strecke, die bergauf auch enduro-technisch interessant aussieht…

Wir kommen knapp nach Mittag wieder in Flåm an, und können ins benachbarte Lærdalen weiterfahren. Den aufgrund seiner Länge (ca. 25km) interessanten Tunnel ignorieren wir aber, und nehmen die alte Snøvegen-Straße über die Berge. Der Anstieg von Aurland kostet den Ducato einiges an Schweiß, erst am Aussichtspunkt Stegastein bekommt er eine verdiente Pause. Hier ist eine halbe Brücke etwas 20m über die Geländekante hinaus Richtung Fjord gebaut, von der man einen tollen Ausblick bekommt. Das Hochland liegt noch ein Stück höher, so dass links und rechts der Straße Schnee liegt.

Die Schneefelder sind allerdings nicht gleichmässig. Nach hunderten Metern schneefreiem Gebiet fährt man plötzlich durch Schluchten aus aufgetürmtem Schnee, die das Wohnmobil um ein, zwei Meter überragen. Nur wenig später ist der „Spuk“ wieder vorbei, und dann kommt wieder ein Schneefeld. So geht das mehrere Kilometer dahin, bis die Straße wieder in tiefere Regionen kommt. Je näher wir nach Lærdal kommen, desto enger und schlechter wird die Strecke, so dass wir hinunter ähnlich lange brauchen, wie vorher hinauf.

Alex möchte sich gern eine bekannte Stabkirche in Borgund anschauen, die im 12. Jahrhundert nur aus Holz, ohne Nägel oder sonstiges Metall errichtet wurde. Für das kurze Stück dorthin auf der Hauptstraße gibt es nette Alternativstrecken, „Historic Routes“, die den alten Wegen folgen. Hier stoßen wir fast an die geometrischen Grenzen des Wohnmobils: Fahrzeuge mit über 3.20m Höhe müssen in Straßenmitte fahren, wir haben 3.30m! Kein Problem also 🙂

Leider ist die Kirche geschlossen, als wir ankommen. Die nächste Fähre Richtung Norden wollen wir erst morgen nehmen, und ganz in der Nähe gibt es einen fast menschenleeren Campingplatz, also packen wir den Griller aus (das 15€-Teil vom Lidl sieht so stabil aus, dass man durchaus mit einem zweiten Einsatz rechnen kann), und waschen zum ersten Mal auf dieser Reise Wäsche. Aus dem Verhältnis der zum Trocknen aufgehängten Wäschestücke auf die hygienischen Präferenzen der Besitzer zu schließen, wäre übrigens falsch: 20 Teile vom Zwerg, drei von Alex, null von mir. Der Zwerg ferkelt beim Essen halt viel mehr…

 

Und noch eine allgemeine Nebenbemerkung für die, die später zugeschaltet haben (BeProLAZ!!): Fotos von der Kamera auf’s Tablet zu bringen (und ich lauf sicher nicht mit dem Tablet vor’m Gesicht zum Fotografieren durch die Gegend! Komm ich von einem Kreuzfahrtschiff??), zu verkleinern und bei Internetzugängen von Stand 1998 hochzuladen, ist ziemlich mühsam. Fotos gibts später! Ende der Durchsage.

3 Kommentare zu “Wanderung, Berge, Bergen, Schiff und Zug”

  1. Renate U sagt:

    Eure Reiseberichte klingen zeitweise recht gefährlich aber
    interessant. Weiter alles Gute.
    Bussi Mutti

  2. Andi sagt:

    Könn ma jetzt endlich ein paar Fotos, vielleicht auch HD Videos sehen?
    Duck und renn… 😉

  3. Ewe sagt:

    Hallo Ihr´s! Grosses Lob an den Texteschreiber. Ich lach mich jedes mal halb tot ha ha, weil ich´s mir so bildlich vorstellen kann, wie es euch ab und an so richtig „reinhaut“ (Ich erinnere mich nämlich auch noch an diverse Erzählung von Alex aus Island). Ne Hammertour, was ihr da macht. Muss traumhaft sein. Freue mich schon volle auf die Bilder (ja ich weiss, die kommen später *g*). Wünsch euch noch viele traumhafte Wochen im hohen Norden und genießt die schöne Zeit!