von Philipp (2014)

Gut vier Kilometer westlich vom Nordkap liegt die Halbinsel Knivskjellodden, die zwar an ihrem nördlichen Ende keine Klippe hat, dafür 1.5km weiter nach Norden reicht. Was ihr auch fehlt, ist ein Straßenzugang, dafür führt ein Wanderweg ganz an die Spitze, der an besagtem Parkplatz beginnt. Rund 8.5km ist der markierte Weg lang.

Wetterbedingung: +3°C, windig, bewölkt, vielleicht auch ein wenig nieseln oder sogar graupeln. Deshalb mach ich mich alleine auf den Weg, ohne Zwerg in der Rückentrage.

Der Weg ist nun kein richtiger Weg, sondern gerade so erkennbar. Allerdings sind alle paar hundert Meter Steinmanderln aufgestellt. Meistens geht es über leichtes Geröll, manchmal Wiese, und zeitweise über kurze Schneefelder. Es scheint zwar sogut wie garkeine Sonne, aber zumindest hält sich der Wind in Grenzen, von vorne allerdings. Und es bleibt trocken. Als ich weggehe, sind länger vor mir schon ein Pärchen losgegangen, ein weiteres macht sich bereit. Der Parkplatz ist fast leer.

Nach einer Viertelstunde überholt mich plötzlich ein Mann mit einem kleinen Hund, der ihn in 20m Umkreis wie ein Satellit umkreist. Der Mann ist nur mit Hut und Schnurrbart ausgerüstet, so dass ich mir mit meinem Rucksack etwas overdressed vorkomme. Wir grüßen uns, und er geht etwas querfeldein weiter, als ob er die Gegend kennen würde, während ich weiter von Steinmanderl zu Steinmanderl gehe. Es geht im wesentlichen geradeaus, für zwei Kilometer, dann macht der Pfad einen Knick nach Norden, und es geht wieder fast geradeaus. Meist geht es eben, oder ganz leicht bergab, dahin. Ein paar Mal sind Bäche brückenlos zu überqueren, allerdings sind hier meistens einige Steine strategisch gut platziert. Auch gibt’s hie und da ein paar schlammige Passagen.

Bei der Halbzeit taucht rechts, auf der Nachbarhalbinsel, eine Radarkuppel auf, von der ich zuerst glaube, dass sie zu den Anlagen am Nordkap gehört. Etwas später dann taucht ein zweites, kugelartiges Objekt auf, und davor, fast ganz an der Klippe, kann man das Nordkapmonument, einen mehrere Meter hohen Drahtgitterglobus, erkennen.

Dann führt die Strecke hinter einem Hügel vorbei, und die Sicht auf’s Nordkap verschwindet. Dafür endet der flache Weg plötzlich an einer Kante, 150m über dem Meer, und ein steiler Pfad führt hinunter in eine Bucht. Zwischen der Böschung und der Wasserkante liegt eine halbmondförmige, ebene Fläche, über die ein Bach zum Meer hin mäandert. Im Brandungsbereich liegen Unmengen an angeschwemmten Baumstämmen, und in Mitten der Fläche ruht ein riesiger Findling. Ein nahezu idyllischer Platz, wenn’s nicht so kalt wäre…

Von hier aus sind es noch zwei Kilometer bis zum Ziel. Der Weg führt über große, zum Meer hin geneigte Steinplatten, was auf die Dauer recht anstrengend ist. Gottseidank ist der Stein schön rau, nur einzelne Stellen, wo sich Erde angesammelt hat, sind glitschig oder gar sumpfig. Die festen Bergschuhe haben sich so ausgezahlt, denn teilweise sink ich über die Knöchel in den Gatsch. Da kommt mir auch der Schnurrbart von vorhin entgegen, der weiter von seinem Duracell-Hund umhüpft wird. Der hat mir auf den bisher 7km glatt 3km abgenommen!

Zuerst wollen die zwei Kilometer gar nicht vergehen, und dann steh ich plötzlich vor einer Art Vermessungsobjekt: das Ziel. Wenige Meter entfernt steht ein Kasten mit einem „Gipfelbuch“. Hat man sich hier eingetragen, kann man sich über eine „Zeilennummer“ eine passende Urkunde bestellen. Ich klettere statt dessen über die Felsen noch ein paar Meter weiter Richtung Norden, und schieß‘ ein Selfie mit dem „falschen“, aber offiziellen Nordkap im Hintergrund.

Zwei Geocaches liegen hier in der Nähe, die ich trotz den Hinweisen („under a stone!“) nach einigem Suchen finde, dann beginne ich nach einer Jause den Rückmarsch.

Der Wind weht zwar weiter in die selbe Richtung, kommt nun also von hinten, aber die ständige, wenn auch leichte Steigung, die beim Hinweg gar nicht aufgefallen ist, macht sich jetzt bemerkbar. Jetzt kommen mir auch einige Leute entgegen, unter anderem eine völlig grußbefreite Gruppe Russen (ob etwa an „hey“ oder „hello“ misszuverstehen sein könnte…?). Die ganze Strecke oberhalb der Bucht bis zum Auto bin ich dann fast allein unterwegs.

Irgendwie faszinierend ist, wie schwer es ist, sich ohne landschaftliche Anhaltspunkte zu orientieren. Beim Festlegen einer bestimmten Richtung ist mir das ja klar, aber schon das einfache Geradeaus-gehen funktioniert schon nach 100m nicht mehr. Wenn nicht die Steinmanderln wären, oder manchmal die Sicht auf das Nordkap, würde man ganz schnell im Kreis laufen. Rundherum nur flache Geröll- oder Schneefelder, keine herausragenden Gipfel, und natürlich auch keine Zeichen von Zivilisation. Natürlich würde eine sichtbare Sonne helfen, aber bei bedecktem Himmel?

Während der letzten Stunde schau ich alle paar Minuten auf’s GPS, und erschrecke ob der geringen zurückgelegten Strecke seit dem letzten Nachschauen. Ein letztes Steinmännchen steht unangenehm hoch über und weit vor mir, als ich auf einmal halbrechts von mir zuerst unsere zwei grauen Dachboxen, dann den ganzen Ducato und den Parkplatz entdecke; das „hohe“ Steinmännchen war ein weg-fremdes, und der Parkplatz sogar ein paar Höhenmeter unter mir.

Durchgefroren und müde schaffe ich die letzten zwei Schritte über die Stufen ins warme Wohnmobil, wo ein warmer Tee auf mich wartet.

Zusammenfassung

  • Gesamtstrecke: 19.5km
  • Aufstieg 400m
  • Abstieg: 400m
  • Geocaches: zwei

Dieser Artikel ist aus dem Norwegen-Reisebericht herausgerissen.

Geocaches zum Artikel (2)

Norges nordligste - Knivskjellodden (GC4E279) (D2,0/T3,5)
Knivskjelodden (GC13V3F) (D1,4/T3,5)


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