Das grüne Inferno

Portugal Madeira / Portugal

von Philipp (2013)

Levadas

Madeira ist bekannt für die Kanäle, die Wasser aus den Bergen an die Küste bringen: die Levadas. Eigentlich ist das ja keine große Sache: Wasser ans Meer zu bringen. Da in aller Regel Berge höher liegen als das Meer, sorgt die Schwerkraft dafür, dass früher oder später alles Wasser, das irgendwo auf einem Berg entspringt, und nicht zwischendurch verdunstet, irgendwann im Meer landet. Dieses Prinzip funktioniert ganz allgemein, und im Speziellen auch auf Madeira. Wozu also noch Kanäle bauen? Weil sich das Wasser so ganz hervorragend dosieren lässt. Unzählige Ver- und Abzweigungen leiten das Nass heute hierhin, morgen dorthin, so dass die Gärten und Plantagen nach einem ausgeklügelten Plan kontrolliert bewässert werden.

Die Levadas also, die schlängeln sich mit nur sehr geringem Gefälle an den Bergflanken entlang, durch Schluchten, durch Tunnels, und manchmal auch über Brücken, talwärts. Zur Wartung und Bedienung der vielen Wehre führen so gut wie immer schmale, meist betonierte Wege am Kanal entlang. An engen oder gefährlichen Stellen gibt es meistens eine Sicherung in Form eines Geländers oder eines gespannten Seils.

So ergeben sich lange Wanderwege, die fast eben durch die Landschaft führen. Immer wieder ergeben sich großartige Aussichten auf die Täler, in denen die Wassermassen fließen würden, gäbe es die Lavadas nicht. Das Verhältnis der tatsächlichen Strecke zur überwundenen Luftlinienentfernung ist dabei gigantisch: für ein paar hundert Meter kann man schon eine halbe Stunde unterwegs sein, weil sich der Weg tief in Einschnitte hinein windet, um später, nur einen Steinwurf entfernt, wieder weiter ins Tal hinein zu führen.

Oft geht es dabei durch grob aus dem Fels geschlagene Tunnels, die sich Kanal und Weg teilen. Abgesehen von seltenen „Fenstern“ in die Außenwelt gibt es hier kein Licht, das man nicht selbst mitgebracht hat. Sind die kürzesten Tunnels nur wenige Meter lang (damit eigentlich gerade mal bessere Portale), sind sie oft 50 bis mehrere hundert Meter lang und gewunden, so dass die Mitnahme von Taschenlampen unbedingt notwendig ist. Der längste Tunnel, der uns untergekommen ist, war rund 2km lang, und hat die Aufgabe, Wasser von einem Tal ins benachbarte zu leiten.

Caldeirão Verde

Die Levadawanderung in den „Grünen Kessel“ beginnt in Rancho Madeirense, wobei es einen zweiten Startpunkt in Queimadas gibt, der den Weg um eine halbe Stunde je Richtung verkürzt. Genau dort parken wir unser Auto. Obwohl wir nicht unbedingt früh aufgebrochen sind, steht nur ein weiteres Auto dort, was vermutlich an der Witterung liegt; gerade dass es nicht regnet. Dicke Nebelschwaden (oder Wolken, hier kann man die beiden nicht wirklich unterscheiden) wabbern durch den Wald, und es nieselt zeitweise.

Levada-Weg

Levada-Weg

Zu Beginn führt der noch breite Weg forststraßenartig durch den Wald, nachdem wir die Anlage Queimadas durchquert haben. Die Levada tritt dabei ein bisschen in den Hintergrund, und plätschert ganz unauffällig als Rinnsal dem Weg entlang. Erst nach einer halben Stunde wandelt sich der breite Weg in einen schmalen Weg, und weiter in einen Pfad. Zum Teil wandern wir auf der betonierten Einfassung, und wir sehen, wieso hier mehr Wasser fließt, als weiter unten in Queimadas: unterwegs wird mehrmals Wasser abgezweigt, das in Nebenkanälen die Felder speist. Dabei sind die Regulierungen durchaus provisorisch: im besten Fall werden Abzweigungen durch Bleche abgesperrt oder freigegeben, oft aber nur durch Bretter oder mit Steinen gefüllte Säcke. Jedenfalls funktioniert es.

Mehrmals müssen wir „Umwege“ machen: die Levada führt tief in die Einschnitte von kleineren Seitentäler hinein und wieder hinaus. Einmal wird der Weg durch eine Brücke abgekürzt, man kann allerdings noch die alte, ursprüngliche Trasse am Hang erkennen, völlig verwachsen. Einmal erspart uns eine weitere Brücke, einen Wasserfall im wahrsten Sinn des Wortes zu durchqueren. Überhaupt trennen sich manchmal Weg und Levada, man steigt dann ein paar Stufen ab, und kehrt dann wenig später wieder auf die Betoneinfassung zurück.

Inzwischen hat sich das Wetter etwas gebessert. Die Nebel/Wolkenwand ist nicht mehr geschlossen, oft vertreibt der Wind die Schwaden und erlaubt einen Blick ins Tal, an die Küste oder den Gegenhang, und zeitweise ist sogar blauer Himmel zu erkennen. Der Regen hat ganz aufgehört; wenn noch Wasser von oben kommt, dann von kleinen Rinnsalen, die über die Felswand auf uns herunter tröpfeln.

Wir kommen auch zum ersten Tunnel; bis zum Caldeirão Verde sind es vier Stück. Teilweise ist die lichte Höhe im Tunnel deutlich unter 1.92m, so dass das Kontaktrisiko hoch ist.

Nach rund sieben Kilometern zweigt der Hauptweg von der Levada weg, über ein Geröllfeld in ein Seitental ab. Man kann schon einen Wasserfall hören, und nach einer Wegbiegung auch sehen. Wir stehen in einem Kessel mit vielleicht 40m Durchmesser, und senkrechten Wänden. Gegenüber dem „Ausgang“ zum Tal hin stürzt Wasser über die Klippe hoch über uns in den Kessel, und bildet dort einen Teich. Alles ist grün bemoost, feucht und glitschig. Und genial schön. Wir sind für ein paar Minuten ganz allein, und genießen die „laute Stille“.

So idyllisch der Platz auch ist, zum Rasten läd er nicht wirklich ein. Da wir uns bis hierher nicht wirklich angestrengt haben, folgen wir dem nur sehr unauffällig beschilderten Levadaweg weiter in Richtung Canyon do Inferno, der Höllenschlucht.

Canyon do Inferno

Der erste Teil dieses Wegs unterscheidet sich nicht von der bisherigen Wanderung; es wird zwar tendenziell enger, bleibt aber harmlos. Nach etwa einem Kilometer zweigt eine Treppe nach links ab, den Berg hinauf. Geradeaus würde es weiter zur Quelle des Baches gehen, der die Levada speist. Wir nehmen aber die Treppe, die es in sich hat. Gute 150 Höhenmeter geht es über Stufen hinauf. Manchmal kann man in den Steilwänden über uns eine weitere Levada erkennen, und seltsamerweise die Andeutung irgendwelcher Verkehrszeichen…

Nachdem wir einen Rastplatz und noch ein paar Stufen passieren, kommen wir zu einer Art Verkehrsknotenpunkt. Nach links führt ein Weg, durch einen kurzen Tunnel, zurück in Richtung Talausgang. Der sollte irgendwo in der Nähe des Caldeirão Verde, oberhalb des Kessels, enden – das meint zumindest unsere Karte.

Geradeaus beginnt der Tunnel, der ins Nachbartal führt. Er ist über zwei Kilometer lang, hat jedoch nur ein paar Schritte nach dem Start eine Abzweigung nach rechts, die gleich wieder ins Freie führt, von wo das Wasser kommt. Diese Variante nehmen wir, denn sie führt in den Canyon do Inferno.

Hier finden wir auch das Verkehrszeichen, dass vor dem Schwimmen im Sammelbecken warnt. Als ob hier irgendwer im eiskalten Wasser pritscheln wollte… Wir passieren wieder einige Tunnels, die allerdings deutlich spektakulärer sind, als die vier zuvor. Um in den ersten zu gelangen, muss man *durch* einen kleinen Wasserfall gehen. Ein weiterer scheint nur wenige Meter innerhalb der Felswand zu verlaufen, denn er hat mehrere Fenster mit Aussichtsplattformen, die einen Blick auf das Draußen erlauben. Auf das wenige „Draußen“, denn hier verläuft eine enge, gewundene, tiefe Schlucht, in der das Wasser spektakulär nach unten stürzt. Das macht auch einen Heidenlärm.

Schlucht "Inferno"

Schlucht „Inferno“

Zwischen zwei Tunnels befindet sich ein Sammelbecken, in dem das Wasser zwischen der Levada Richtung „Gaanz langer Tunnel“ und der Schlucht aufgeteilt wird; darüber hinweg führen zwei Stahlbrücken.

Ein letzter Tunnel bringt uns dann in den Talschluss. Wieder ragen die Felswände ringsrum in die Höhe, und wieder plätschert Wasser aus allen Richtungen zu Boden.

Nachdem der Weg in den Canyon eine Sackgasse ist, marschieren wir wieder zurück zum „Verkehrsknotenpunkt“. Dort packen wir unsere Jause aus und rasten in der Sonne. Gleichzeitig beobachten wir ein durch den langen Tunnel näher kommendes Licht. Es scheint sich zwar zu bewegen, trotzdem sieht es nicht aus, als ob es jemals ans Tageslicht gelangen würde. Wir überlegen uns währenddessen, ob wir auch in den Tunnel wandern wollen. Das vollständige Durchqueren würde im Grunde nur Sinn machen, wenn wir am anderen Ende, beziehungsweise am dazu passenden Parkplatz mehrere Kilometer nach dem Tunnel, eine Mitfahrgelegenheit zu unserem Auto hätten. Haben wir aber nicht (Notiz an mich: beim nächsten Besuch hier Infos zu Buslinien einholen…). Allerdings gibt es, ziemlich genau in der Mitte des Tunnels, einen Geocache, und das bringt uns auch zu einer Entscheidung, die da lautet: rein!

Moira

Der Tunnel führt nicht kerzengerade durch den Berg. Er hat ungefähr in der Mitte eine langgezogene S-Kurve, so dass man bestenfalls nur eines der Portale erkennen kann. Der Weg ist einen guten Meter breit, daneben fließt, mindestens einen halben Meter tiefer, und auch einen Meter breit, das Wasser. Teilweise ist der Tunnel so hoch, dass ich bequem aufrecht stehen kann. meistens muss ich aber zumindest leicht gebückt gehen. Nicht selten knall‘ ich dabei mit dem Kopf gegen die Decke, der Hut schützt aber vor Blessuren. Hie und da tropft Wasser von der Decke, und an manchen Stellen steht zentimetertief Wasser.

Nach einigen Minuten im Tunnel begegnen wir dem entgegenkommenden Licht. Es ist ein deutsches Pärchen, von dem es sich im Nachhinein herausstellt, dass auch sie nach dem Geocache gesucht haben. Wir unterhalten uns kurz, und trennen uns dann wieder.

Nach 500m enden die Markierungen an der Tunnelwand, so dass wir die restliche Entfernung nur noch grob schätzen können. Nach vielleicht 20 Minuten kommen wir an den Beginn der S-Kurve. Hier sind die Tunnelwände verkleidet, und zum Teil geht man auf Betonplatten oberhalb des Baches. Wir halten Ausschau nach einer bestimmten Markierung an der Wand, die den Cache anzeigen soll. Kurz vor dem zweiten Teil der Kurve entdeckt Alex das kleine Logo an der linken Wand, und hier liegt auch die Dose, hinter Steinen versteckt in einer natürlichen Nische. Im Logbuch finden wir einen Eintrag mit zwei Namen mit heutigem Datum, was unseren Verdacht, die beiden wären auch Geocacher gewesen, erweckt. Erst zuhause bestätigt sich das, als wir den Online-Log lesen, wo sie auch über ihre verlorene (und wiedergefundene) Mütze schreiben. Beim Rückweg haben wir sie allerdings verpasst.

Gelegenheit zum Pausieren gibt es im Tunnel nicht wirklich, deswegen machen wir uns wieder auf zum Eingang. Nach wenigen Minuten, nach Verlassen der S-Kurve, wird der Lichtschein des Tages sichtbar. Etwas unmotivierend ist allerdings, dass der Schein gefühlt ewig auf Distanz bleibt. Erst knapp vor dem Ausgang bekommen wir das Gefühl, tatsächlich auch jemals wieder nach draußen zu kommen. Nach insgesamt nicht ganz einer Stunde stehen wir wieder im Freien, und können unsere Knochen wieder geradebiegen (ich zumindest).

Der Heimweg wirkt dann seeeehr lang. Es geht unmerklich bergab, es ist nicht anstrengend, aber die acht Kilometer zurück zum Parkplatz ziehen sich gewaltig. Unsere Plaudereien werden einsilbiger, und Queimadas kommt und kommt nicht näher… Dann wird der Weg breiter, und schließlich treffen wir am Parkplatz ein; gerade rechtzeitig, bevor „richtiger“ Regen einsetzt.

Track

Der Empfang in der Schlucht ist nicht der beste; Hin- und Rückweg waren in Wirklichkeit die selben, und der Weg im Tunnel ist natürlich nur geschätzt…

Geocaches zum Artikel (3)

Caldeirao Verde Earthcache (GC1A65W) (D2,5/T3)
Canyon do Inferno (GC30BQ3) (D3,5/T4)
Moira (GC1EFF5) (D2,5/T4,5)


Orte zum Artikel (5)

PunktQueimadas OSM Google Cachemap GeoHack
PunktRancho Madeirense (Alternative) OSM Google Cachemap GeoHack
PunktCaldeirao Verde OSM Google Cachemap GeoHack
PunktEingang zum langen Tunnel OSM Google Cachemap GeoHack
PunktCanyon do Inferno OSM Google Cachemap GeoHack


 

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