von Philipp (2010)

4. Tag: Frühaufsteher im Grand Canyon

Es heißt, der Canyon sei am schönsten bei Sonnenaufgang, da er mit der steigenden Sonne in allen Farben schimmert. Das Problem dabei: Sonnenaufgang ist um 5:20, das heißt Tagwache um 4:30…

Kurz vor Sonnenaufgang

Kurz vor Sonnenaufgang

Wir sind leider nicht die einzigen, die sich um 3/4 5 auf den Weg zum Rim, dem Plateaurand, machen; an der Einfahrt zum Park sind einige PKWs und ein Reisebus vor uns. Und alle biegen sie ins Village ab, eine Ansammlung von Aussichtspunkten, Campingplatz und Souvenirshops. Einige Meilen östlich ist auf der Karte ein weiterer Aussichtspunkt eingezeichnet, „Grand View“, und dort steht gerade einmal ein einsamer PKW am Parkplatz. Wir suchen uns also ein nettes Platzerl und machen es uns mit der Kamera gemütlich. Und schon geht die Sonne auf. Zuerst sieht man nur die Sonne selbst, doch dann finden die ersten Strahlen ihren Weg an den Rand der Klippen, die rötlich zu leuchten beginnen, und im Lauf einer halben Stunde ist der ganze Canyon in unzähligen Rot-, Braun-, Gelb- und Grüntönen erleuchtet! Das Aufstehen hat sich also ausgezahlt, genau so wie das Einpacken allen Frühstückszeugs, das wir danach in der inzwischen schon wärmenden Sonne auf einer Felsplatte genießen.

Für den Vormittag haben wir einen Helikopter-Rundflug gebucht, und die Zeit bis dahin nutzen wir, um zwei Kilometer zum Yaki Point zu spazieren, von wo aus man eine tolle Aussicht auf den Canyon hat. Wie Ameisen laufen einzelne Wanderer auf den tiefer liegenden Trails dem Talboden entgegen. Wir haben nach einigem Hin-und-Her beschlossen, uns dieses Vergnügen zugunsten anderer Parks entgehen zu lassen. Außerdem fehlt momentan ein *bisschen* Kondition…
Der Helikopterflug ist jedenfalls eine spektakuläre Sache. Zuerst geht’s parallel zum Canyon über den Wald dahin, und irgendwann biegt der Pilot dann nach Norden und rast auf den Rim – die Kante – zu. Auch wenn man den Canyon schon zuvor von Aussichtspunkten aus kennengelernt hat, ist es eine ganz besondere Erfahrung, wenn der Felsboden plötzlich unter einem für einen guten Kilometer weg bricht… Leider bleibt der Hubschrauber für den ganzen Flug mehr oder weniger auf Höhe des umgebenden Coconino-Plateaus, ein Konturenflug ist entlang des Canyon-Grunds ist also nicht drin. So bleibt aber wenigstens das Frühstück drin. Der North Rim, der schwerer zugänglich als der ausgebaute Südrand ist, zeigt mehr Buckel als das südliche Plateau, und es liegt auch recht viel Schnee. Kein Wunder, wenn’s im Zelt des nächtens ordentlich frisch ist! In einer langen Schleife geht’s während einer Dreiviertelstunde wieder an den Ausgangspunkt zurück, wo auch die gestern gesehene B17 gerade am Rollfeld steht.

Wieder im Auto geht es dem Rim entlang nach Osten, mit einer kurzen Pause am „Desert View“. Der rustikal gemauert aussehende Aussichtsturm, der jedoch aus Beton besteht, wurde in den 1930ern von Mary Colter entworfen, die auch mehrere andere Bauwerke der Gegend, so auch die Phantom Ranch am Canyongrund, gebaut hat.

Zurück am Highway 89 geht es von Cameron aus nach Norden, entlang der Echo Cliffs, mit einem kurzen Abstecher zur Navajo Bridge. Die ursprüngliche Brückenkonstruktion dient nur mehr als Fußgängerbrücke, der Verkehr wird auf einer neuen Brücke parallel dazu geführt. In den Canyonflanken nahe der Brücke haben sich Condore eingenistet, die scheinbar für Fotografen in der Fachwerkkonstruktion der neuen Brücke posieren.

Bis nach Page, dem heutigen Ziel, ist es nicht mehr weit. Die Stadt liegt in der Nähe des Glen Canyon Damms, der den Colorado zum Lake Powell aufstaut. Page scheint ein beliebter Nächtigungsplatz für Motorrad-Reisende zu sein (zugegeben fällt es mir ein bisschen schwer, von Harleys nicht als landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge zu sprechen). Die Lokale sind voll von Mitgliedern des „Harley Davidson – Bottrop/Kirchhellen Chapter“ und ähnlicher Clubs, die, nachdem sie sich mit frischer Wäsche aus dem Begleitfahrzeug restauriert, in Begleitung eines englischsprechenden Guides auf Nahrungssuche machen.

Wir verkriechen uns gesättigt in unser Zelt und freuen uns auf den morgigen Ausflug zum Antelope Canyon.

5. Tag: Lichtspiele

Antelope Canyon

Antelope Canyon

Früh brechen wir auf, um vor dem Antelope Canyon einen Abstecher zum Horse Shoe Bend zu machen, einer Stelle an der der Colorado eine 180°-Kehre einlegt. Der Punkt ist in älteren Reiseführern, wenn überhaupt, nur als schlecht zu findender Geheimtipp angeführt, heute ist der Parkplatz nicht zu übersehen. Es fehlen allerdings größer angelegte Souvenirbuden. Der frühe Vormittag ist die schönste Zeit, da jetzt die Sonne von hinten kommt und die Kurve fotogen ausleuchtet. Obwohl es nicht einmal ein Kilometer bis zur Kante sind, tut man gut, etwas Wasser mit zu nehmen; das bergauf/bergab spazieren im Sand ist nicht so ohne. Es bietet sich uns jedenfalls eine tolle Aussicht auf den orangebraunen Canyon und das dunkelgrüne Wasser.

Im Antelope Canyon kommen wir nur ein paar Minuten zu spät für die Foto-Tour, aber einer der Guides empfiehlt uns einen anderen Veranstalter, der etwas außerhalb sein Lager aufgeschlagen hat. Im Nachhinein Glück für uns, denn so kommen wir zu einer tollen Tour in einer kleinen Gruppe, und unser Guide Gabriel  lässt nichts unversucht, um uns einerseits die schönsten Perspektiven zu verschaffen, und andererseits andere Besucher zu vergraulen (im teilweise nur zwei Meter breiten Canyon herrscht Rush Hour!). Der Canyon ist auch ohne die Lichtspiele sehenswert. Er ist zirka 40m tief und 400m lang, jedoch sehr eng (deshalb auch „Slot Canyon“). Die Wände sind von Wind und Wasser geschliffen, und wenn die Tageszeit passt, gelangen an einigen Stellen für wenige Minuten einzelne Sonnenstrahlen (Beams) bis an den Grund, die dann in der staubigen Luft bizarre Formen beleuchten. Der Staub stammt übrigens zum Großteil von engagierten Guides, die fäusteweise den Sand nach oben werfen, so dass man am Ende der Führung aussieht wie ein Wiener Schnitzel.

Am Highway 98, 160 und 163 gelangen wir am späteren Nachmittag ins Monument Valley. Gouldings Trading Post, an der Grenze zwischen Arizona und Utah, bietet eingezwängt zwischen zwei Tafelbergen einen sehr netten Campingplatz (mit Gratis-Duschen, ganz wichtig nach dem Antelope Canyon!). Ein kleines Museum zeigt die Geschichte der Handelsstation und ihrer Rolle bei diversen Western-Produktionen. Gemeinsam mit John Wayne stellt die Landschaft den Prototypen des Wilden Westens dar.

Das Gfrett mit der Zeit

Was einem Mitteleuropäer selten bewusst ist (auch wenn man hie und da auch in Europa Zeitzonen überschreitet), ist dass Amerikaner aufgrund der Ost-West-Ausdehnung zeitzonen-mäßig arme Hunde sind. Das fängt schon beim Fernsehprogramm an, wenn der Beginn eines Films mit zwei Zeiten angegeben wird, Eastern und Pacific. Und da liegen noch zwei Zonen dazwischen. Ganz wild wird es aber zum Beispiel rund um Arizona, wenn der Sommer kommt. Hier bleibt man nämlich bei der Winterzeit, und so hat man im Sommer die selbe Zeit wie Kalifornien (Pacific), und im Winter wie New Mexico (Mountain). Allerdings nicht in Navajo-Reservaten, dort wird nämlich sehr wohl auf Sommerzeit umgestellt. Wer also hier einen Termin ausmacht, möge sich ganz genau umsehen, wo er gerade ist…

6. Tag: Monument(t)al

Da ein Gutteil der Straßen im Monument Valley im Besitz der Navajos sind, und Außenstehende nur einige ausgewählte Wege selbst er-fahren dürfen, nehmen wir an einer Jeep-Tour (sagt man so; es ist aber ein Chevy) teil. Zuvor besichtigen wir aber noch einen Hogan, ein Kuppelhaus aus geschichteten Baumstämmen, verkleidet mit Erde. Eine Indianerin demonstriert hier alte Hausarbeits-Techniken.

Goldings Trade Post

Goldings Trade Post

Dann geht’s aber rumpeldipumpel auf der Passagierladefläche von Tafelberg zu Tafelberg. Zufällig hält der Wagen meist dort, wo auch Ramsch-Verkaufsstände aufgebaut werden. Scheinbar nur für unsere Tour scheint ein Indianer auf einem Pony vor der gigantischen Kulisse zu posieren; von jedem Nicht-Tourteilnehmer verlangt er zwei Dollar, und während wir weiter fahren, versteckt er sein Pferd in einer kleinen Schlucht.
Zwischen den Fotostopps erzählt uns unsere Führerin Geschichten („‚you wanna hear something ‚bout our Navajo traditions? Ah, I tell you anyway…“). Am beeindruckendsten finde ich dabei die Nummer Zwei in der Liste der vier Lebens-Feste der Navajos: die Geburt, das erste Lachen, das Erwachsenwerden und die Heirat. Einem Kleinkind das erste Lachen zu entlocken zu können, ist mit großer Ehre verbunden.
Wir kommen an Felszeichnungen aus der Zeit der Anasazi („die Uralten“) vorbei, aber auch an den bekannten Formationen aus der Marlboro-Werbung.

Gegen Mittag ist die Tour zu Ende, und wir fahren weiter in Richtung Four Corners, dem einzigen Punkt der USA, an dem vier Bundesstaaten aneinander grenzen: Arizona, New Mexico, Colorado und Utah. Blöderweise ist dort gerade eine Baustelle, und so kommen wir dank Absperrung nicht näher als 100m. Also machen wir kehrt und fahren nach Norden, nach Cortez. Dort passiert, was uns offenbar nur im Urlaub passiert: wir fangen mit der Windschutzscheibe einen Stein ein. Zuerst ist es nur ein winziges Cut, das sich bis zur Rückgabe zum halb Meter langen Riss auswächst. Was solls…
Etwas östlich von Cortez, das nur aus ein paar Tankstellen zu bestehen scheint, liegt die Einfahrt – oder besser: Auffahrt – in den Mesa Verde National Park. Das Wetter wird wechselhaft, und wir mieten uns wieder einen Zeltplatz. Nach dem Duschen (die Monument Valley-Tour machts absolut notwendig) fahren wir höher hinauf zur Lodge, wo wir fein zu Abend essen, mit herrlicher Aussicht, Bisonsteak und Geflügel (Quial ist tatsächlich eine Wachtel).

In der Nacht wird es kalt, am nächsten Morgen bedeckt Raureif das Außenzelt.

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