Seehöhe ist relativ

Costa Rica Irazu / Costa Rica

von Philipp (2011)

Die Jugend

Wenn ich in meiner, nicht übermäßig ausgefüllten, alpinen Vergangenheit zurückblicke, dann scheint als höchster erreichter Punkt irgendein Sattel westlich von der Rudolfshütte auf. Entweder die Granatscharte (2945m), oder, und das ist wahrscheinlicher, aber nicht mehr nachvollziehbar, die Sonnenscharte mit 2803m. Das war 1987 oder 1988, man war sehr jung (aber trotzdem nicht sehr fit), und es ist auch nicht ganz nebensächlich, auf welcher Höhe der Beginn des Anstiegs liegt. In dem Fall die Rudolfshütte mit ungefähr 2500m. Ich find’s in Ordnung, aber wenn man die Differenz auf „Grazer Schlossberghöhen“ umrechnet und als Ergebnis „3“ bekommt, klingt’s irgendwie nach Pipifax.

Die Ausflüge zwei Jahre später waren zwar gefühlt anstrengender, von der erreichten Seehöhe jedoch nicht vergleichbar. Wer allerdings neben Schi, Reserveleiberl und Müsliriegel auch Sturmgewehr und Gummizutz auf 2450m mit schleppt, zählt jeden Meter doppelt. Die Wattener Lizum im Winter, das Grab meiner Jugend…

Reiferes Alter

In der „Neuzeit“ – sprich der Zeit, in der das freiwillige Sich-in-der-Natur-bewegen wieder (wieder? egal) bei mir modern wurde, war dann vermutlich der Zirbitzkogel mit 2388m der höchste der selbst erkämpften Gipfel. Quasi-Drive-Ins am Stilfserjoch oder in den USA (2777m und 2880m) zählen ja nicht wirklich.

Kurzer Einwurf für Eingeweihte: die Panamericana führt asphaltiert auf gute 3300m Seehöhe. Das vergleicht mal mit den gerade einmal 3000m, die die Schotterpiste saisonabhängig auf den Col de Sommeiller führt…

Costa Rica

Mitteleuropa hat seine Alpen, wo Mittelamerika die Kordillieren hat. Beide gehen über 4000m hinaus, aber sie unterscheiden sich in einem Punkt, der weiteres nach sich zieht: Die zentralen Täler der Alpen bleiben meistens deutlich unterhalb von 1000m Seehöhe, die costaricanischen Berge beginnen aber oft erst jenseits von 1500m. Verkehrstechnisch ist deshalb der Alpenraum schwerer erschließbar, weil der Höhenunterschied zwischen unten und oben wesentlich größer ist.

Knapp vor dem Gipfel

Knapp vor dem Gipfel

So ist es erklärbar, dass in Costa Rica Orte in großen Höhen verhältnismäßig leicht über Straßen erreichbar sind, wo man in den Alpen stundenlang über enge Steige koffern muss. So reicht die Panamericana (die an sich ja weniger eine einzelne Straße als mehr eine Idee von einer durchgehenden Verbindung zwischen Alaska und Feuerland ist) südlich von San Jose in stolze 3000m Höhe, ohne dabei den Dschungel merklich zu verlassen.

Nur eine gute Stunde von der Hauptstadt San Jose (die auf rund 1150m Seehöhe liegt), erreicht man auf Asphalt (na ja, die letzten paar hundert Meter verdienen diese Bezeichnung nicht wirklich) den Gipfel des Vulkans Irazú, stattliche 3432m über dem Meer. Unser Auto lassen wir in der Nähe des Kraters zurück und spazieren den letzten Kilometer zu Fuß zum Gipfel, der sich leider weigert, auch nur ansatzweise ein bisschen Aussicht zu spendieren. Im Gegenteil, der Nebel (oder sind es Wolken) befreit sich von seiner Wasserlast in Form von Nebelreisen und Nieselregen und beschert uns Temperaturen, die wir seit Wochen nicht mehr gewöhnt sind.

Fesche Aussicht - könnt' auch am Schloßberg sein...

Fesche Aussicht – könnt‘ auch am Schlossberg sein…

Und auch die Höhe selbst macht sich bemerkbar. Sämtliche Ausreden wie „zu viel gefrühstückt“, „zu wenig geschlafen“, „zu kalt“… können nicht vertuschen, dass die Luft für Vierzigjährige (und alle anderen auch, aber der Vierzigjährige hat es eben gemerkt) deutlich dünner ist. Allgemein nicht mit bester Kondition gesegnet, schnaufen wir unüblich laut und langsam die Straße hinauf. Die Umgebung, so wir sie im Nebel wahrnehmen, passt nicht richtig zur mitteleuropäischen Vorstellung von Hochgebirge. Kein Eis und Schnee, Felsen nur als Beiwerk zwischen Büschen und Bäumen. Es fehlt das Ausgesetzt-Sein, das man in den Alpen schon oberhalb von 2000m kennt. Kein Zweifel, der Äquator, und damit das tropische Klima, ist nahe. Anstelle von Steinböcken (die ich aber, ich wiederhole mich, auch daheim noch nie gesehen habe! Gams ja, Capra ibex nein.) turnen Nasenbären herum, bevorzugt auf den schwingenden Abdeckungen der Mülltrenn- und Sammelstationen.

Beim Rückweg zum Auto plagen mich dann Überlegungen, „sowas“ auch daheim zu erleben. Es ist ja nur eine Zahl, dieses „3000“. Gelegenheiten für einen „ehrlichen“ Gipfel, nicht nur per Automobil, gäbe es daheim genug, es fehlt nur etwas an Kondition. Im Sommer, im Maltatal vielleicht?

Ein Kommentar zu “Seehöhe ist relativ”

  1. Frustus sagt:

    Message angekommen, ich geh mal ein wenig Kondition trainieren 😉