Südnorwegen: Fjorde, Fjorde…

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von Philipp (2014)

Dieser Artikel ist Teil der Geschichte Reise zum Nordkap.

Freitag, 23. Mai: Zum Lysefjord

Von Stavanger aus geht es zuerst wieder ein Stück nach Süden, um in Sandnes nach Osten auf der „13“ zum Preikestolen zu kommen. Kurz vor der Fähre in Lauvvik macht sich das schon einmal in Deutschland aufgetretene Problem mit dem vom Vorbesitzer ins Cockpit geklebten Außenthermometer bemerkbar. Das verdeckt nämlich nicht nur einen Teil der Tankanzeige, sondern auch das dazupassende kleine, gelbe Warnlicht. Grad noch bemerke ich den Leerstand, und gottseidank gibt es kurz vor der Fähre noch eine kleine Tankstelle.

So kommen wir also zu unserer ersten inner-norwegischen Fährüberfahrt. Das ist hier etwas ganz alltägliches, und wenn man bemerkt, dass um einen herum die Durchschnittsgeschwindigkeit der indigenen Autofahrer sprunghaft ansteigt, so ist mit Sicherheit die kommende Abfahrt der nächstgelegenen Fähre dran schuld. Typischerweise kostet so eine Überfahrt (mit dem Wohnmobil) etwa 12€, und je nach Verbindung wartet man selten länger als 15min.

Der Preikestolen, zu deutsch der „Predigerkanzel“, ist ein etwa 25x25m großes Felsplateau, das gut 600m über dem Lysefjord trohnt, und das eine der Hauptattraktionen Südnorwegens ist. In meiner Magna-Zeit hing dort in einem Stiegenhaus ein Poster davon, und seitdem steht dieser Platz auf meiner „Liste“. Vorher wollen wir uns aber noch eine alternative Perspektive verschaffen, nämlich von unten, vom gegenüberliegenden Fjordufer, wo eine enge Sackgasse nach Eidadalen und Fossmork (nicht zu eng für einen Linienbus, übrigens) einen Blick auf den Felsen erlaubt. Eine dritte Alternative wäre eine Fahrt mit einem Ausflugsboot gewesen, und Nummer vier ein Hubschrauberrundflug. Unser Ansatz hat allerdings gerade mal zwei Liter Diesel gekostet. Das einzige Problem ist es, den richtigen Felsen zu identifizieren. Wir haben zwar einen begründeten Verdacht, aber natürlich ist es nicht so einfach, die Platform zu finden, wenn man das Vorspringen derselben nicht sehen kann. Im nachhinein (auf einem Prospektfoto) stellt sich unser Verdacht als richtig heraus.

Über eine Hängebrücke wechseln wir wieder auf die nördliche Seite des Fjords, und nach wenigen Kilometern kommen wir an den dem Preikestolen nächstgelegenen Campingplatz an

Samstag, 24. Mai: Wanderung zum Preikestolen

Das Fahrbereitmachen des Wohnmobils ist eigentlich keine große Sache, aber es dauert immer seine Zeit. Gas abdrehen, Stromkabel einpacken, Stützen einkurbeln, blahblahblah, und dann noch das ganze Zeug im Inneren, das ohne Verstauen nichts lieber täte, als von hinten nach vorn und wieder zurück zu fliegen. Außerdem ist dann am Abend, beim Zurückkommen, vielleicht der Super-Stellplatz besetzt. Deswegen nehmen wir den Linienbus vom Campingplatz zur Preikestolenhytta, von wo der Wanderweg beginnt. Am Campingplatz war es noch bewölkt und in der Nacht regnerisch, aber hier, nur wenige Kilometer entfernt, scheint die Sonne. Der Zwerg ist diesmal in der Rückentrage unterwegs. Bequem für ihn, schwer für mich…

Es geht gleich mit einer ordentlichen Steigung durch den Kiefernwald los. Wir kommen uns mit Bergschuhen und Rucksack ziemlich overdressed vor zwischen den ganzen Turnschuhen, aber zumindest unterhält uns der Zwerg, wenn er nicht mützt, mit seinem Geplausche und seinem Gesang.

Die Aufstiege sind durch grobe Stufen präpariert; das macht’s zwar technisch einfach, ist aber trotzdem mühsamer als über Waldwege. Der Aufstieg besteht aus mehreren solcher Anstiege, dazwischen liegen längere, ebene Stücke, entweder durch Hochmoore oder an Bergseen entlang. Schon lange sind mir vier Kilometer nicht mehr so anstrengend vorgekommen, am Ende wird das GPS geradeeinmal 450 Höhenmeter anzeigen. Die Trage samt Inhalt hat wohl 15kg, was mir noch abgeht zum Deja-vu nach 1989 sind der fehlende Stahlhelm und das Sturmgewehr…

Natürlich ist das Plateau bei unserer Ankunft schon gut belegt, überall picknicken die Wanderer oder fotografieren sich in abenteuerlichen Posen an der Felskante. Wir suchen uns ein Platzerl und futtern je nach Altersgruppe Brot und Käse, oder Breichen und Brot und Käse. Ich schnappe mit dann die Kamera und kraxel ein paar Höhenmeter über den Fels. Die Wandererdichte geht sprunghaft nach unten, obwohl man erst von hier oben den Fels und die senkrechten Wände richtig schön sehen kann. Ab und zu fliegen die Rundflug-Hubschrauber vorbei, und unten im Fjord tuckern die Ausflugsboote.

Nach einer Stunde Pause machen wir uns wieder auf den Weg zurück. Jetzt werden die Felsstufen erst so richtig fies, und nach in Summe fast sechs Stunden kommen wir wieder am Parkplatz an. Nur der Zwerg ist quitschvergnügt. Ein Eis an einem Standl gibt uns die nötige Kraft für die Busfahrt, und so schaffen wir es wieder zum Auto, um schnell etwas zu kochen und ins Bett zu fallen.

Sonntag, 25. Mai: weiter nach Norden

Die Straße, die uns von Stavanger hierher gebracht hat, die „13“, ist eine ausgewiesene Aussichtsstraße. Folgt man ihr, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Es geht durch Tunnels, an Fjorden entlang oder an hochgelegenen Seen vorbei, man findet an jedem Kilometer Fotomotive. So vergeht der Tag mit der Fahrt über Joørpeland, Nesvik, Sand und Sauda.

Vor Sauda wandern wir einem Wasserfall „Svandalsfossen“ entlang einige Höhenmeter nach oben, der über mehrere Stufen, und einige Verzweigungen nach unten schießt.
Das geplante Tagesziel ist die Ortschaft Røldal, wo es eine berühmte Stabkirche zu besichtigen gibt, und auf der Straße Sauda-Røldal eine aufgelassene Zinn-Mine. In Sauda gebe ich Røldal ins Navi ein und wundere mich, dass die berechnete Route wieder zurück nach Sand, und um den Gebirgszug herum führt, fast dreimal so weit wie die „normale“ Verbindung. Vor Jahren ist uns sowas in Südtirol passiert, wo ein Fehler im Kartenmaterial – eine Lücke von 1m – ein ordentliches Routing verhindert hat; warum also nicht auch hier? Die orange Tafel am Straßenrand, die von einer Sperre zwischen Røldal und Breiborg spricht, sagt uns nichts, weil „Breiborg“ auf keiner Karte vorkommt. Die Zinn-Mine ist dann geschlossen, wegen Umbau, wir können aber das Fundament für die zukünftige, architektonisch wertvolle Toilettenanlage bewundern. Und dann wiederholt sich die orange Tafel, unterstützt von einem Schranken. Aus die Maus, und umdrehen.

Wir parken also in Sauda am hiesigen Campingplatz, dessen Rezeption unbesetzt ist („find yourself a spot, and I will find you to pay tomorrow“). Es stellt sich leider heraus, dass nicht nur niemand zum kassieren da ist, sondern offensichtlich auch niemand zum Häuslputzen oder Klopapier nachlegen. Und nochwas stellt sich heraus, nach intensivsten Karten-Studien: die gesperrte Straße ist immer zwischen September und Juni gesperrt, laut Karte. Warum „die“ deswegen keine ordentlichen, richtigen Tafeln („Sölkpass ist offen/geschlossen“) aufstellen, sondern irgendwelche provisorisch angelehnten Blechschilder? Egal. Und das Navi redet sich auf „Saisonale Streckensperren berücksichtigen: ja“ heraus. Wer kann denn ahnen, dass das funktioniert???

Montag, 26. Mai: an Wasserfällen entlang nach Kinsarvik

Um 10 Uhr ist der Camping-Knecht noch immer nicht zwecks Stellplatzgebühr vorstellig geworden, und die Rezeption ist noch immer nicht besetzt. Also ziehen wir so los. Um weiter nach Norden zu kommen, haben wir zwei Varianten zur Auswahl: eher östlich über Røldal (diesmal ohne Sperre), durch einige Tunnels, oder, etwas weiter und westlich, an Fjorden und Aussichtsstraßen entlang. Wir entscheiden uns für die letztere.

Die ersten 25km kennen wir schon, dann geht es ab Ropeid zuerst nach Westen, und ab Ølen wieder nach Nordosten.
Am Åkrafjord finden wir eine Möglichkeit, einen 11km langen, mautpflichtigen Tunnel zu umfahren. Eine enge Straße, die durch den Tunnel offensichtlich bedeutungslos geworden ist, schlängelt sich an der Bergflanke hoch über den Fjord, und erlaubt grandiose Ausblicke. Die einzige Ortschaft, die entlang der Straße eingezeichnet ist, ist scheinbar verschwunden. Nur das Navi ist sich sicher, dass wir wieder auf die Hauptstraße zurückfinden werden, und seit gestern vertraue ich diesem Ding wirklich. Und tatsächlich, kurz nach dem Ende des Tunnels stoßen wir wieder auf die E134.

Nur ein paar Kilometer weiter stürzt ein gewaltiger Wasserfall in den Fjord, der Langfoss. Dank der Schneeschmelze führt er, und alle anderen Fälle, an denen wir noch vorbeikommen, überdurchschnittlich viel Wasser; den Sprühregen bemerkt man schon lange vor dem Wasserfall.

Es geht wieder über die Berge in den nächsten Fjord, am Låtefossen-Wasserfall vorbei nach Odda. Hier füllen wir im Supermarkt unsere Vorräte auf, zu den üblichen Preisen, und wir lernen, dass auch hochpreisiges Fleisch minderwertig sein kann (da gibt es wohl speziell ausgebildete Fachleute, die Hendlfilets so zusammenfalten können, dass sie gschmackig ausschauen, obwohl sie nur aus Abfall bestehen…).

In Kinsarvik, das in einer kleinen Bucht liegt, finden wir einen Campingplatz für die Nacht. Laut Alex‘ Reiseführer gibt es hier die Möglichkeit zu einer Wanderung zu mehreren – na, wer kann’s erraten – Wasserfällen. Ob wir sie nutzen, wollen wir erst morgen entscheiden.

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